E-Camping im Test

Mit dem E-Auto und Wohnwagen über die Großglockner-Hochalpenstraße
© Michael Szemes
Wie Camping mit dem E-Auto funktioniert, haben wir auf einer 1.800 Kilometer langen Rundfahrt mit dem Wohnwagengespann durch sieben österreichische Bundesländer in Erfahrung gebracht. Dabei sammelten wir unterschiedliche, wertvolle Erfahrungen.
Mit dem Gespann wurden drei auf Nachhaltigkeit zertifizierte Campingplätze angefahren und an zwei Tagen die Großglockner Hochalpenstraße erobert. Anstelle von Reichweiten-Sorgen fanden wir Ruhe und mehr als ausreichend Möglichkeiten zu laden. An den letzten drei Tagen gab der Hyundai Ioniq 5 gar an zwei Caravans seine Kraft ab, kühlte die Lebensmittel und wärmte uns während Unwettern.

1. Tag: Wien - Pinkafeld 


Der Ioniq 5 hält einen „Trailer-Modus“ für drei unterschiedliche Gewichtsklassen für uns bereit. Von leicht, mittel und schwer ähnelt letzterer unserem T@B, also wählen wir diesen. Die Reichweiten-Anzeige fällt um die Hälfte von 400 auf 200 Kilometer. Da uns heute nur 100 Kilometer bevorstehen fahren wir unbeschwert los. In Pinkafeld mit mehr als der Hälfte Restkapazität angekommen, stecken wir den Ioniq 5 in der Garage an 230 V an. Die Steckdose gibt nur 6A ab, weshalb der Ioniq 5 uns über 50 Stunden Restladezeit prognostiziert. Das geht sich bis zur geplanten Abfahrt am nächsten Tag zu Mittag nicht aus. Wir planen also für den kommenden Tag einen Besuch bei der öffentlichen Ladestation am stillgelegten Bahnhof ein.
 

2. Tag: Pinkafeld -  Klagenfurt - Kötschach


Die Ladestation am ehemaligen Bahnhof gibt für 35 Minuten 50 kW ab. Danach wird abgedreht, aber weiter verrechnet. Das bestätigt uns auch das sehr schlecht lesbare Display sowie der Herr an der Servicehotline. Leider wussten wir das nicht und wir machten uns auf den Weg zum teuren, aber schnellen Hypercharger (HPC) nahe der Autobahnabfahrt. Gut versteckt in einem Winkerl des kleinen Industriegrundstücks finden wir vier Trafos, die auf die Lade-Parkplätze hindeuten. Der T@B steht derweil abgekoppelt in Pinkafeld. Zum Glück, denn andernfalls wäre es knifflig mit dem Gespann hier ein- und auszufahren. Hier fließen 220 kW für € 0,79/kWh in die Batterie. Vollgeladen und ein bisschen verzögert, starten wir von Pinkafeld in Richtung Süden zum Alpencamp nach Kötschach-Mauthen los. Der schwere Trailer-Mode spricht uns mehr Reichweite ab, als wir tatsächlich fahren. Das gibt uns ein sicheres Gefühl, wo wir uns immer noch auf unbekannten Pfaden bewegen. Zum ersten Ladestopp bittet uns der Ioniq 5 bei Klagenfurt. Wir suchen einen Smatrics Hypercharger bei einem Penny-Parkplatz auf. Ein E-Kona steht am äußersten Ladeplatz, was uns erlaubt mit dem Gespann quer über drei Ladeplätze zu stehen. Glücklicherweise kommt erst just in dem Moment als wir 100 Prozent geladen haben ein ID-4 und möchte ein wenig Strom abhaben. Der Fahrer ist verdutzt über die von uns blockierten Plätze. Beim Abkoppeln unterhalten wir uns über Schnelllademöglichkeiten für Gespanne in der Umgebung. Es gibt wohl einen Ladepark in Autobahnnähe, bei dem, wie bei einer Tankstelle, das Zufahren mit Gespann und „tanken“ problemlos möglich ist. Das Navigationssystem des Ioniq 5 hält diese Information für uns leider nicht bereit. Beim Alpencamp stehen zwei Wallboxen sowie zwei Tesla-Charger kostenlos zur Verfügung. Wir werden gebeten nicht an den Camping-Boxen zu laden. Den Ioniq 5 stellen wir daher neben den Mietwagen des Alpencamps, einen ID.3, und leihen uns dessen Ladekabel. Unser Typ2-Kabel wird warm und lädt nur noch mit 2,2 kW anstelle von 22 kW. Am nächsten Morgen werden wir uns von hier aus vollgeladen aufmachen die Glockner Hochalpenstraße zu erobern.
 

3. Tag: Glockner Hochalpenstraße


Am Gailbergsattel wird der Energieverbrauch während der Bergfahrt durch die Bergabfahrt zu einem großen Teil wiedereingespeist. Das Bremspedal betätigen wir nur selten. Durch den niedrigen Durchschnittsverbrauch können wir an der Schnellladestation an der Mautstelle der Großglockner-Hochalpenstraße guten Gewissens vorbeifahren. Jetzt sind es nur noch wenige Kilometer bis zur Kaiser-Franz-Josefs-Höhe. Die Dame am Schalter berichtet freudig von mehreren kostenlosen Ladestationen am Berg. Wir resetten den Bordcomputer und fahren los. Gespannt beobachten wir den Energieverbrauch. Der Ioniq 5 lässt sich nichts anmerken und zieht den T@B souverän bis auf das Parkdeck der Kaiser-Franz-Josef-Höhe. Weil es so einfach war, fahren wir rüber zum Hochtor. Auch dort wartet eine der kostenlosen Ladesäulen auf uns. Auch wenn der Verbrauch von Heiligenblut bis nach oben bei über 70 kWh liegt, haben wir noch immer keinen Bedarf uns anzuschließen. Beim Bergabfahren fällt uns auf, wie ruhig und entspannt wir rollen. Die geräuschlose Kulisse im Elektroauto, die Ein-Pedal-Bedienung und dazu das fabelhafte Alpenpanorama haben beruhigenden Einfluss auf die Insassen – und auf die Batterie. Zurück in Kötschach-Mauthen haben wir 191 Kilometer zurückgelegt und dabei noch 76 Kilometer Restreichweite bei durchschnittlich 26,5 kWh/100 Kilometer. Bis zum Morgen steht uns am Alpencamp wieder ein voller Akku zur Verfügung.

4. Tag: Kötschach - Fusch - Salzburg


Heute fahren wir zum Grubhof nach Salzburg. Auch diesmal passieren wir die Großglockner Hochalpenstraße. Bei Fusch zeigt der Ioniq 5 nach 46,9 Kilometern nur noch 23,9 kWh/100 km und 10 Prozent mehr Akkuladung als beim Fuscher Törl an. Ein grandioses Gefühl. Den Grubhof erreichen wir nach gesamt 168,5 Kilometern mit 34 Prozent Restladung und durchschnittlich 27,8 kWh/100 km. Bei der Rezeption werden wir auf Nachfrage gebeten, nicht am Platz zu laden, sondern stattdessen eine der sechs Ladestationen zu verwenden. Am Abend hilft uns Robert Stainer vom Grubhof mit einem frischen Ladekabel aus. Display und App versichern uns 100 Prozent Akkuladung in wenigen Stunden. Danke!
 

"Auf dem Berg kommen alle Trümpfe des E-Antriebs auf einmal zur Geltung."


5. Tag: Salzburg - St. Johann im Pongau - Ennstal - Purgstall


Heute geht’s über St. Johann im Pongau, das Ennstal und das Gesäuse nach Purgstall an der Erlauf zum Aktiv Camp Purgstall. In Liezen soll es einen Hypercharger direkt an der Ennstal Bundesstraße geben. Unaufgeregt und mit Autobahn-ähnlichem Durchschnittsverbrauch erreichen wir mit 24 Prozent Ladung den Hypercharger in Liezen. Diesmal blockieren wir mit angehängtem Wohnwagen nur zwei Ladeplätze, halten aber niemanden vom Laden ab. In 41 Minuten laden wir fast 59 kWh. Weiter geht’s übers Gesäuse nach Purgstall. Beim Aktiv Camp angekommen haben wir nach 118 Kilometern noch 58 Prozent Batterieladung zur Verfügung. Hier könnten und dürften wir am Stellplatz den Ioniq 5 laden, haben jedoch keinen Bedarf, weil wir am nächsten Tag die nahegelegene Ladestation, die einer klassischen Tankstelle ähneln soll, einen Besuch abstatten möchten.
 

Tage 6 bis 10: Purgstall - Wien - Messe Steiermark


Tage 6 bis 10. Im Ladepark Pöchlarn fließen leider anstelle der am Schild ausgeschriebenen 350 kW „nur“ 114 kW durch die Kabel und die WCs und der Warteraum öffnen ihre Türen für uns nicht. Da wir’s bis nach Wien nicht mehr weit haben, beenden wir den Ladevorgang bei gut 80 Prozent und machen uns auf den Weg. Nach 1.350 Kilometern auf Autobahnen, Land- und Bergstraßen erreichen wir Wien um 21 Uhr. An den folgenden Tagen sind wir zu einem Messetermin in die Steiermark unterwegs und machen ähnliche Erfahrungen wie während unserer Reise, die uns zweimal über die Großglockner-Hochalpenstraße geführt hat. Insgesamt haben wir zum Schluss in zehn Tagen 1.850 Kilometer zurückgelegt. Dabei durchschnittlich 29,7 kWh pro 100 Kilometer verbraucht und 16 Ladevorgänge gemacht. Wir hatten immer entweder die Klimaanlage oder Sitzbelüftung in Betrieb, selten das Bremspedal berührt, beim Verzögern und beim Bergabfahren sehr viel Energie erzeugt und Entspannung schon während der Fahrt gefunden. Was bleibt ist ein positives Gefühl und Vorfreude auf das nächste Mal. Dabei würden wir im Vorhinein nach Anhängerfreundlichen Ladestationen entlang der Route suchen. Leider hatten wir bei 15 der 16 Ladestationen kein Dach über dem Kopf und mussten im Regen stehen. Zwei der vier angefahrenen Hypercharger waren von der Straße aus nicht beschildert und selbst am Gelände schlecht zu finden. Die üblichen Apps bieten wenig Information über die Auslegung der Ladeparks. Auf der Internet-Seite www.goingelectric.de/stromtankstellen gibt es Bilder und Zusatzinformationen zu den Tankstellen von Elektroauto-Fahrern, was bei der Suche helfen kann. Denn es kommt der Punkt, an dem man keine Lust mehr hat, den Wohnwagen zum Laden ab- und anzuhängen. Und man will ja auch keine anderen Elektroauto-Fahrer behindern, wenn man mit Strom unterwegs ist.



Alpencamp Kötschach-Mauthen
Laden: Kostenlos bei vier Wallboxen,
am Platz über die Campingsäule nicht
erwünscht. Gäste können einen VW
ID.3 mieten.
 
Camping Grubhof
Laden: 3 x 2 Wallboxen über das
Gelände verteilt. Abrechnung über
eigene Ladekarte. Laden über die
Campingsäule derzeit nicht gestattet,
wird aber ab Frühjahr 2023 ermöglicht.
 
Aktiv Camp Purgstall
Laden: Ladesäule mit zwei
Anschlüssen am Parkplatz beim
Empfang. Abrechnung über Gästekarte
mit speziellem Tarif oder eigener Ladekarte.
Laden auch über Campingsäule
am Platz möglich.
 
Autor: Michael Szemes
Bilder: Dominic Goebel
Michael Szemes

Ein Artikel aus der Camping Revue 5/2022.
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