Gebirge im Meer
Dies ist nur eine kleine historische Anekdote.
Sie zeigt uns aber, wie wehrhaft die Korsen sind. Ebenso wehrhaft zeigt sich das Relief Korsikas. Mit gerade mal 180 Kilometer
Länge und einer maximalen Breite von 60 Kilometer stellt Korsika an sich ein eher bescheidenes Inselchen dar. Aber die stark
zerklüftete Westküste mit ihren tief eingeschnittenen Fjorden und das ausnahmslos bergige Inland sorgen für ein ständig rotierendes
Lenkrad. Auch die Bremsen werden von dem „Gebirge im Meer“ – so ein weiterer Kosename Korsikas – pausenlos gefordert. Klein,
aber oho! Den Schwitzflecken vom ständigen Kurbeln steht ein wahres Sammelsurium bizarrer Landschaftsformen, einzigartiger
Kulturschätze und gastfreundlicher Menschen gegenüber. Korsika – ein Minikontinent mit maximalen Tourenmöglichkeiten
für Camper.
Entlang der Westküste
Obwohl sich die Küste immer noch außer Sichtweite befindet,
liefert ein günstiger Wind bereits den ersten Vorgeschmack dieser vielgerühmten Insel. Der Duft der blühenden Macchia, der
einst schon Napoleon, den wohl bekanntesten Spross Korsikas berauschte, ist schon auf der Fähre zu schnuppern. Endlich auf
der Insel gesellt sich zu diesen ersten Eindrücken ein wahrer Reigen weiterer Wohlgerüche. Am Markt, nahe dem alten genuesischen
Hafen Bastias, sorgen riesige Schinken, kunstvoll aufgeschichtetes Obst und Gemüse und natürlich der berühmte korsische Käse
für eine würzige Note. Schnell den frischen Proviant verstauen und los geht’s! Cap Corse: Wie ein mahnend erhobener Zeigefinger
erstreckt sich der nordöstliche Teil der Insel. Das Kap gilt als kleines Abbild Korsikas. Hier finden sich alle Landschaftstypen
Korsikas en miniature: Ein Gebirgsrücken durchzieht die Halbinsel von Nord nach Süd, es gibt schroffe Küstenabschnitte im
Westen und einsame Sandstrände im Osten. Die 140 Kilometer lange Umrundung des Kaps bietet den optimalen Einstieg für eine
längere Tour. Freundliche Fischerdörfer, mittelalterliche Festungen, Kirchen und Klöster und die sehenswerten genuesischen
Turmruinen von Morsiglia und Nonza entschädigen reichlich für diese Extrakilometer. Die Straße schlängelt sich langsam hinunter
zum Golf von St.Florent. Nach St. Florent zielt die Straße durchs Inselinnere und durchquert Korsikas einzige Wüste, die Désert des Agriates. Keine eintönige Wüste im herkömmlichen Sinne:
Riesenhafte Steinbrocken und der wilde Wuchs der Macchia formen diese gottverlassene
Landschaft. Auf 40 Kilometern begegnen uns gerademal drei Autos.
Calvi, das Meisterwerk genuesischer Baukunst
Der
rötlich schimmernde Granit winziger Inseln kündigt den Badeort Ile Rousse an. Nur 20 Kilometer weiter liegt in einer herrlichen,
von Bergen umrahmten Bucht, Calvi. Das tiefblaue Meer bietet einen umwerfenden Kontrast zu den verwitterten Ziegeldächern
der Altstadt und zu den oftmals bis zum Hochsommer schneebedeckten Bergen. Calvi streitet sich seit jeher mit mehreren Städten
Italiens und Spaniens um die Ehre, die Geburtsstadt von Christoph Kolumbus zu sein. Am weitesten verbreitet ist jedoch die
Annahme, dass der berühmte Seefahrer in Genua geboren wurde. 1794 bissen sich die Engländer beim Versuch Calvi einzunehmen
an diesem Meisterwerk genuesischer Baukunst die Zähne aus. Lord Nelson verlor dabei sein „legendäres“ Auge und trug fortan
eine Augenklappe.
"Es gibt wohl keine andere Insel, die so viele Landschaftstypen, Berge und Meer so wunderschön kombiniert."
Napoleon und Hinkelsteine
Ajaccio, die Hauptstadt Korsikas, brüstet sich vornehmlich mit der Tatsache, der Geburtsort Napoleons zu sein. Somit scheint es keineswegs verwunderlich, dass die Souvenirbranche Kapriolen schlägt. Das Konterfei des Feldherrn wurde sogar auf einer Klobürste verewigt. Porticcio, Aqua Doria,Porto Pollo: Die Küstenstraße mit ihrem unaufhörlichen Steigungen sorgt für einen minimalen Kilometerschnitt aber bestes Live-Landschafts-Kino. Wir folgen dem Flusslauf des Taravo bis zu den Ausgrabungsstätten von Filitosa. Ein mystischer Ort. 5.000 Jahre alte Menhire, mannshohe Steinfiguren mit angedeuteten Gesichtszügen und Schwertern liegen verstreut im Gelände. Die phallusähnlichen Menhire sind seit „Asterix und Obelix“ bestens bekannt unter dem Namen „Hinkelsteine“. Es ist eine einzigartige Kultstätte aus dem Megalithikum.
Sante und die Kalkfelsen Bonifacios
Nach Ansicht des berühmten Romanciers Prosper Merimée ist Sartene „die korsischste Stadt Korsikas“. Strenge, dunkle Häuserfronten, ein Gewirr aus Gassen, Stiegen und verschwiegenen Plätzen. Im 19. Jahrhundert tobten hier Clanfehden, und die Vendetta, die berüchtigte Blutrache, raffte einen Großteil der männlichen Bevölkerung dahin. Heute sitzen die Alten am Place de la Libération friedlich bei einem Pastis zusammen. Die vielbestaunten Kalkfelsen Bonifacios, direkt an der Südspitze Korsikas, steigen überhängend an die 100 Meter aus dem Meer empor. Die letzten Häuserzeilen sind bis an den Rand der Steilküste gebaut und werden wohl in gar nicht so ferner Zeit, wenn Wind, Salzwasser und Flut die Klippen weiter aushöhlen, in die brandende See abrutschen. Die schön geschwungene Teerstraße zur Bucht von Santa Amanza und dem Leuchtturm am Capo Pertusato offenbart ein paar abgelegene Badebuchten mit einsamen Sandstränden. Dies ist ein Geheimtipp für Windsurfer, denn der Wind bläst hier selten unter fünf Beaufort. Am höchsten Punkt der Klippen, direkt bei einer alten Bunkeranlage, gibt es für Schwindelfreie direkt am Abgrund einige abenteuerliche Stellplätze. Der Blick nach Sardinien ist atemberaubend.
Traumstrände des Ostens
Die Westküste ist wild zerklüftet und landschaftlich ein Traum. Doch Kinder und Beifahrer werden bei der unendlichen Kurverei häufig grün im Gesicht. Die Ostküste ist lieblicher. Die autobahnähnliche N 198 reiht zahlreiche, gut zugängliche Weltklasse-Badebuchten wie an einer Perlenkette aneinander. Dies ist die klar komfortablere Alternative für den unbeschwerten Familienurlaub. Palombaggia ist so ein Bilderbuchstrand. Halbmondförmig eingekerbt, goldgelber Sand, hellblaues badewannenwarmes Wasser. Der Parkplatz im nahen, schattigen Pinienhain ist fest in der Hand von Wohnmobilisten. Ausstattung und Preis sind bescheiden. Aber der Patron unterhält einen Frühstücksservice: Baguette, Pain au Chocolat, Croissants, Milch und Butter werden morgens pünktlich an die Tür geliefert. Ach, kann das Leben herrlich einfach sein! Die Bucht von Rondinara, der Golf von Santa Giulia, die Cala Rossa, der Golf von Pinarellu: Die Ostküste bietet serienweise paradiesische Badeplätze für kleine Piraten.
Da fällt der Abschied schwer, aber nach bald 1.000 Kilometern verschwindet unser Wohnmobil wieder im Bauch der Fähre. Die Signalpfeife ertönt, die Fähre nach Livorno legt ab. Noch einmal atmen wir diese unvergleichliche Luft Korsikas ein. „Kalliste“, die Insel der Schönheit, wie die Griechen Korsika nannten, hat ihrem Kosenamen alle Ehre gemacht.
Tourismusbüro | www.visit-corsica.com | |
Campingplätze |
Zentral: Tuani, hoch über Corte direkt am
Autor: Norbert Eisele-Hein
Bilder: Norbert Eisele-Hein
Grafik: Christian Jakl
Ein Artikel aus der Camping Revue 4/2022.
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